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QUANTIC & HIS COMBO BARBARO 

In die drittgrößte Stadt Kolumbiens hat es den englischen Produzent und Musiker Will Holland verschlagen. Wenn man seine seit 2001 musikalische kontinuierliche Veränderung und künstlerische Entwicklung betrachtet, verwundert dieser Umstand nicht wirklich. Der Brite steht für Progression und die unerschütterliche Suche nach neuen Sounds und Verwirklichungswegen.

Seit er mit seinem Debüt die Welt mit jazzig chilligen Downbeats auf sich aufmerksam machte, hat er mit jeder neuen Platte seine Vielseitigkeit und Passion für qualitativ hochwertig Musik gezeigt. Wo er auf seinen beiden Frühwerken „The 5th Exotic“ und „Apricot Morning“ noch mit geschmeidigen Downbeats überzeugte konnte, wusste er mit „Mishaps Happening“ einen Meilenstein des Eklektizismus zu landen. Jener, von Radioguru Gilles Peterson mit ausgerufener Kunst die sich verschiedener Elemente bedient und neu zusammensetzt und alles zu etwas ganz Neuem verschmelzen lässt. Danach folgten seine persönlichen Beiträge zum allgemeinen Hype um authentische Funk & Soul Music mit dem von ihm produzierten und gegründeten Quantic Soul Orchestra. So hatte der umtriebige Brite auch hier seine Leidenschaft für handgemachte Musik umsetzten können um das Konzept auf „Tropidelico“ um ein weiteres Mal weiter denken zu können. Nach weiteren Experimenten auf „Flowering Inferno“ mit Latin & Dub-Hybriden trat Holland nun in die nächste Phase seiner musikalischen Evolution und arbeitete mit einigen der besten Musikern aus Süd- und Mittelamerika zusammen und formte “Quantic and his Combo Barbaro”.

Wieder ist es Will Holland gelungen etwas Neues zu gestalten indem er lateinamerikanische und karibische Klänge mit Jazz, Soul und Funk verbindet. So ist das neue Werk unter Mitwirken von Vollblutmusikern wie Arthur Verocai oder Alfredo Linares ein fein-sommerlicher Latintwist zwischen Cumbia, Son, Bossa Nova und einer ganz großen Portion Soul. Unser Autor Peter Parker sprach mit ihm über die Anfangstage, die Liebe zur Musik und eine kreative Zukunft. 

Seit Jahren bist du sehr produktiv. Du arbeitest als Produzent, als Musiker und legst immer noch sehr viel auf. Dann gibt es auch noch einige Remixarbeiten und Kollaboration von dir. Hast du überhaupt noch Freizeit?

Quantic: Ich versuche meine Zeit so einzuteilen, dass ich auch Zeit für mich habe und genug Raum für meine Musik. Aber ich liebe es Musik zu machen. Wenn man seine Leidenschaft zum Beruf machen kann ist es das Größte.

In deinen Anfängen hast du dich durch jazzige Downbeats definiert. Danach hast du vor allem auf Lps wie „Mishaps happening“ künstlerisch nicht mehr so sehr festgelegt und die so genannten Eklekik gepflegt. Was hat sich gerade in dieser Phase deiner Karriere verändert?

Quantic: Ich denke der Sound ist gerade in dieser Phase viel aufwändiger und vielfältiger geworden. Damals habe ich sehr am Programming und der Produktion gefeilt und experimentiert. Ich wollte hauptsächlich einen variablen Faktor von „soulful“. Im Studio hatte ich dann natürlich auf viel größere Möglichkeiten. Ich wollte aber vorzüglich das Alte mit Neuem verbinden. Aber das war schon immer mein Hauptanliegen und ist bis heute ein stetiger Prozess. Oft ist das Entstehen der Tracks auch unbewusst. Manchmal reflektiere ich einfach was ich persönlich gerne auf dem Dancefloor hören würde und baue dann ein Idee aus. Ich mag generell die Tempo-Region zwischen 105-115 BPM, aber das hieß nie, dass ich auch solche Beats letztlich produziere. Oft kam ich von einem housigen Tunes zu einem Resultat, dass eben überhaupt nicht housig war. Das ist das Spannende am Beats machen.

Nach wie vor ist das ja auch dein Konzept in den DJ-Sets. Du verbindest dort alte Jazz, Funk, Soul oder Latin Grooves mit zeitgenössischen Sounds wie HipHop, Drum’n’Bass oder House.

Quantic: Ich denke das ist einfach auch wichtig. Man muss eine große Vielfalt von Musik auflegen. Nach wie vor lege ich sehr viel Aktuelles auf und kombiniere das mit alten Scheiben die aufzeigen wo von das Neue inspiriert wurde. So spiele ich oft HipHop-Instrumentals und schlage so die Brücke zu Funk. Broken Beats lassen sich immer mit Latin & Afrobeat verbinden. Jazz der 60er Jahre sollte man nicht vergessen. Das passt alles, wenn man will in einen „Flow“. Ich finde es sollte für Hörer genauso interessant sein wie für Tänzer.

Sehr früh hat man dir und deiner Musik schon Aufmerksamkeit geschenkt. Ich denke da an dein Album “Apricot Morning” und deinen massiven Remix für Kyoto Jazz Massive auf Compost Records. Wenn du zurückblickst, wie denkst du über diese Zeit?

Quantic: Es war eine spannende Zeit. Musikalisch passierte damals sehr viel. 2002, als der von dir angesprochene Remix rotierte bekam ich sehr viel positives Feedback für meine Musik. Natürlich ist es eine große Ehre wenn Leute wie DJ Spinna, Kenny Dope, Gilles Peterson etc. deine Scheiben spielen. Remixe anzufertigen empfinde ich als einen guten Weg sich einen Namen zu machen. Mein Remix für Greyboys “Genevieve” hat es auch in viele Playlists geschafft obwohl ich nie gedacht hätte, dass es Hit wird. Da freut einem dann um so mehr.

Es gibt viele talentierte Musiker und Produzenten die sind bei dem Vorhaben gescheitert, von ihrer Musik zu leben. Bei dir hat es geklappt. Wie siehst du die Dinge heute?

Quantic: Es war bei mir ein Prozess. Während meiner ersten beiden Alben haben ich in einem Full-Time-Job gearbeitet und nach Feierabend mich meiner Musik gewidmet. Es war auch eine sehr intensive Erfahrung, dass ich mich irgendwann den ganzen Tag dem Produzieren widmen konnte. So arbeite ich jetzt den ganzen Tag und manche Nacht an meiner Musik. Es hat sich soviel nicht geändert – nur dass ich jetzt das mache was mich am meisten erfüllt.

Durch deine DJ-Reisen hat du offensichtlich auch immer die nötigen Inspirationen aufsaugen können um dich als Künstler weiterzuentwickeln!?

Quantic: Ich bin immer noch ein sehr großer Vinyl-Fan. Überall wo ich hin komme, suche ich nach Musik. Ob in Istanbul, Puerto Rico, Kopenhagen oder Rio – überall investiere ich ein bis zwei Tage um nach Musik zu suchen. Das alleine hat meine Musik jedoch nicht weiterentwickelt. Land und Leute sind mir auch wichtig. Ich habe soviel gelernt, was letztlich auf meine Musik einwirkt.

Mit dem Quantic Soul Orchestra hast du dich ganz und gar mit dem deepen Funk und rohen Soul der 60er Jahre beschäftigt. Was trieb dich dazu nachdem du mit deinem eklektischen Sound doch sehr erfolgreich warst?

Quantic: Das war einfach eine neue Idee von mir. Ich wollte mehr Live-Musik machen. Bisher habe ich die Live-Instrumentalisierung nur als Element neben dem Sampling in meiner Musik gehabt. Ich wollte etwas anderes machen. Etwas das an die rohen und gleichzeitig warmen, analogen Sounds der 60er anknüpft.

Das heisst du würdest für deine Privatparty auch einen renommierten Deep-Funk-Paten hinter die Plattenteller stellen?

Quantic: (lacht) Ich würde wahrscheinlich eher Freunde als irgendwelche verrückten Superstar-DJs auflegen lassen. Ich finde aber DJs wie Keb Darge, Dom Servini, Cut Chemist, meine Kollege Nickodemus, Miles Cleret oder den Stockholmer Mad Mats sollten zu meinem privaten Soundclash kommen. Sie sind alle meine Favoriten.

 Im Jahr 2007 wurde dir die Ehre zu Teil für Jazzman Records, einem etablierten Label für Rare Groove, eine Compilation zusammen zu stellen. Ein Zeichen dafür, dass du als Experte anerkannt bist…

Quantic: Ich kenne Gerald Short schon eine Weile und wir haben schon zusammen gearbeitet und zusammen aufgelegt. Ich habe mich natürlich über die Anfrage eine Compilation zusammenstellen zu dürfen gefreut. Ich hatte auch einen sehr hohen Anspruch allen Rare Groove-Fans und der Qualität des Outputs des Labels gerecht zu werden. Da würde ich nach dem positiven Feedback auch jeder Zeit wieder machen. Vor allem weil ich auch immer noch selbst kontinuierlich auf der Suche nach rarem Vinyl bin.

 Du sprichst die etablierten Kräfte und Aktivisten an. Sie haben alle ganze eigene und besondere Styles und zum größten Teil auch ihre eigene Clubnight. Bei den meisten warst du auch schon als Gast-DJ eingeladen. Welche empfindest du als die Beste?

Quantic: Es gibt weltweit sehr gute Clubnights, aber bei Seen (Bristol/UK), Turntables on the Hudson (NYC/USA), Raw Fusion (Stockholm/Schweden) und Beatpackers (Köln/Deutschland) hatte ich meine beste Zeit.

Auf deinem neuen Werk „Tradition in Transition“ arbeitest du mit bekannten Künstlern aus Mittel- und Südamerika. Ging da ein Traum für dich in Erfüllung?

Quantic: Es ist eine Ehre für mich mit solchen Musikern arbeiten zu dürfen. Wir haben hier etwas Besonderes geschaffen. Vor einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit den Jazzkünstler Mulatu Astatke aus Äthopien kennen zu lernen. Damals hatte ich mir schon gewünscht mal mit großen Künstlern zu arbeiten und jetzt bin ich umso glücklicher dass es geklappt hat. Gerne hätte ich auch mit Eddie Bo und James Brown mal gearbeitet oder zumindest hätte ich sie gerne mal getroffen. Das waren zwei Jahrhundertkünstler von deren Musik ich immer wieder und nach all den Jahren noch beeindruckt und inspiriert bin. Auf meinen Reisen hat sich immer wieder der Schwerpunkt von Funk & Soul in Richtung Latin, Reggae und Afrobeat erweitert. Ich kann und will mich garnicht mehr festlegen. Es gibt so viel gute Musik. Das wirkte sich jetzt auch auf meine neue Platte “Tradition in Transition” aus.

 

Text & Interview: Peter Parker

Dieser Artikel erschien Sommer 2009 in der Printausgabe der UPTOWN STRUT.