SOUL

SHINE

& JOY

 

Soul mag für viele 2011 angesagter denn je zu sein. Cee-Lo Green und Aloe Blacc haben viele Künstler die Türen aufgestoßen. Die Medien feiern Adele als die nächste „Soulsensation“ nach Amy Winehouse und es ist wieder hipp Curtis Mayfield als große künstlerische Inspirationsquelle zu nennen. Und das ist auch gut so! Aber vergisst man nicht mal wieder, wer Soul in Deutschland groß gemacht hat? Zwischen all dem Hype für deutschsprachige Musik wird das Genre Soul gerne mal übergangen. Zweifellos gibt es einen Xavier Naidoo und nun auch ganz groß einen Clueso, die beide soulful sind und definitiv „den Soul haben“ und ihn in die Popwelt tragen – aber warum vergisst man leichtfertig immer wieder die große Dame und ihre Pionierarbeit? Warum hat man sie zu lange auf ihre Beziehung mit dem Freundeskreis-Frontmann Max Herre und das legendäre R’n’B-Duett „Mit dir“ reduziert? Wird es nicht allerhöchste Zeit Joy Denalane den Platz zu geben, der ihr unweigerlich gebührt!? 

 

FK-Allstars und die Folgen

Nach dem Joy in kleinen Bands in der Hauptstadt sang begegnete sie einem gewissen Maximilian Herre, der gerade auf dem Zenit des Schaffens mit seiner Combo Freundeskreis stand. Neben den Gründungsmitgliedern Don Philippe und DJ Friction wurde aus der Gruppe im Live-Format eine große lose Künstler-Familie der unter anderem Sekou, Gentleman oder Afrob angehörten. Joy wurde mit Max zum neuen Traumpaar – musikalisch wie privat, und schloss sich dem Bühnenprogramm an. Für viele Musikliebhaber waren die FK-Allstars mehr als ein Kollektiv von Musikern, Sängern & Rappern die auf dem Zenit des Deutschrap-Hypes ihre Definitionen eines musikalischen Esperantos nach vorne trieben. So etwas gab es vorher in deutschen Landen nicht und sorgte mit der großen Vielfalt, Musikalität und Qualität nicht für ein legendäres Live-Album – sondern auch dafür, dass eine Dame aus Berlin das Publikum für Soul sensibilisierte.

„Mamani“, das Debütalbum von Joy Maureen Denalane war ein musikalisches Meisterwerk das 2002 schon die Brücken zu dem Kosmos einer Nina Simone oder einer Aretha Franklin schlug und ganz nebenbei deutschen Soul manifestierte, während man darauf sozialkritische Afro-Funkstücke wie „Im Ghetto von Soweto“ fand und so mit Klangwelten konfrontiert wurde die es so in und aus Deutschland vorher nicht wirklich gab. Denalane hat allein mit ihrem ersten Album mehr bewegt als manch ein deutscher Künstler in seiner ganzen Karriere – aber ist das der Öffentlichkeit auch bewusst? Nach wie vor hat es Musik, die sich an traditionellem, organischem Soul orientiert, sehr schwer in deutschen Landen ein breites Publikum anzusprechen. 2011 wird sich das auch nicht grundlegend ändern. Gewiss ist dabei auch, dass eine Künstlerin mit solch einer Stimme und solch einem, in Deutschland einzigartigen Charisma und musikalischem Ansatz, gehört werden wird.

Es war einmal in Amerika

Als man irgendwann nach ihrem prämierten, ersten Album vielerorts merkte wie essentiell die Arbeit der Deutschafrikanerin wirklich ist, hatte diese sich schon auf ein nächstes Level geschwungen und mit dem Zweitwerk „Born & Raised“ ein überragendes, uniques, englischsprachiges Album eingespielt, dass nicht nur die tiefe Verwurzeln zwischen R’n’B und HipHop mit kongenialen Kollaborationen (Lupe Fiasco und Reakwon) zelebrierte, sowie moderne Beats mit Retrosounds vermischte, sondern auch international mit Werken von US-Größen wie Mary J. Blidge oder Jill Scott mithalten konnte, während sie die wohl eindringlichste Hook der deutschen Popgeschichte für die Max Herre-Single „Erste Liebe“ sang. Der Jazzanova-Remix für das Stück „Go“ von Conscious-Rapkünstler Common veredelte sie mit ihrer goldenen Stimme und punktete weiter auf höchstem Niveau. Nicht erst jetzt war sie als Solokünstlerin etabliert. Nach dem sie von der internationalen Fachpresse mit Lobpreisungen überhäuft wurde und Meinungsinstitutionen wie das Okayplayer-Forum der Philadelphia-Helden The Roots oder BBC-Ikone Gilles Peterson ihre Musik wohlwollend propagierten, wurde es etwas ruhig um die Frau mit dem dynamischen Lockenkopf und dem ansteckenden Lächeln.

Philly Love

Die Mutter von zwei Kindern versuchte weiter an neuer Musik zu arbeiten und fing ein Studium an FU Berlin an, während der Vater ihres Nachwuchses an seiner Soloplatte arbeitete. Nachdem man privat einige Zeit getrennte Wege ging, hatte man immer noch eine gemeinsame Leidenschaft für die Musik und wollte diese nicht beenden. Max Herre blieb mit dem bereits für das zweite Album zuständige „Executive producer“ und musikalischer Mastermind hinter den neuen Werken von Joy. Dabei hat sich um Max das Team KAHEDI gebildet, dass aus dem japanischen Beatschmied Samon Kawamura und dem italienischen Jazzpianisten Roberto Di Gioia besteht. Die zwei Vollblutmusiker haben bereits einiges an Erfahrung mit in das Kollektiv gebracht und haben schon mit Künstlern wie Klaus Doldinger, Til Brönner oder Aloe Blac gearbeitet. Musikalisch ist das neue Album von Joy Denalane nur der Anfang von der musikalischen Vision zwischen Soul, Jazz, Afrobeat, Zouk, Reggae, Funk und aber auch jüdischen Klezmer oder HipHop in den nächsten Monaten und Jahren geplant ist. Vielleicht steht dem werten Musikhörer auch ein Pendant zu dem legendären Kollektiv The Soulquarians dass den NeoSoul und den organischen HipHop Ende der 1990er Jahre erfolgreich installierten und für Meisterwerke von Künstlern wie The Roots, Erykah Badu und D’Angelo verantwortlich waren. Man darf gespannt sein was hier noch kommt, bis dahin darf man sich an „Maureen“, dem dritte Album von Joy Denalane, erfreuen. Das wurde in Philadelpha aufgenommen, was ganz bewusst die Brücke zu den glorreichen und goldenen Zeiten des Soul und somit dem Kern der Platte schlägt. „Born & Raised“ klang nicht einfach so komplett anders als ein steriles Rhianna-Werk – es wurde von den ganz Großen wie Larry Gold oder Ant Bell klangtechnisch veredelt. Warum hätte man das auf dem neusten Werk ändern soll!

Neue Vibes & alte Werte

Nun sie zurück! „Maureen“ ist seit Anfang Juni 2011 in den Regalen der Plattenläden – ein Album, auf das so viele Fans gewartet haben. Gearbeitet hat sie daran mit dem Team, mit dem sie musikalisch und menschlich auf einer Wellenlänge ist und dem sie vertraut. Am Grundrezept „Groove & Gefühl“ hat sich nichts in den letzten 5 Jahren geändert. Alles andere und noch viel mehr besprachen wir mit ihr im Interview.

1. Ich muss dir ein Kompliment machen. Du hast zwei Kinder und arbeitest an einigen Projekten als Sängerin. Du bist eine richtige Powerfrau, wie machst du das?

Joy: Danke - aber das ist nicht mehr als bei anderen Frauen. Das ist alles machbar mit der Unterstützung der Familie. Man muss sich sehr organisieren und natürlich bin ich, wie andere Mütter auch, angewiesen auf Hilfe. Zum Glück habe ich eine große Familie die auch teilweise hier in Berlin lebt und ich bin sehr froh, dass ich meinen Traum leben kann als Sängerin zu arbeiten.

2. „Maureen“, dein neues Album, ist nach deinem zweiten Vornamen betitelt. Das bedeutet dann indirekt, dass wieder sehr viel Persönliches in dem Album steckt?!

Joy: Auf jeden Fall findet man auf dem Album Perspektiven von mir. Vermischt mit Erfahrungen aus meinem Leben und gewiss auch aus Träumereien bietet „Maureen“ viele Facetten und gibt natürlich auch u.a. einen Einblick in meine Gefühlswelt. Das ist typisch für meine Musik. Ich lasse die Menschen teilhaben. Ich denke man muss oft etwas nicht explizit aussprechen, damit die Leute das dann auf der Platte nachfühlen können.

3. Ich fand das damals sehr interessant. In den Medien haben sie dich für dein deutschsprachiges, erstes Album gefeiert und beklagt, dass es in Englisch einen internationaleren Anspruch hätte. Danach kam das überragende englischsprachige „Born & Raised“. „Maureen“ ist wieder in deutscher Sprache und jetzt sind wieder alle verwirrt! Hast du ein paar beruhigende Worte für diese verwirrten Menschen!?

Joy: Ich muss dazu sagen, dass ich natürlich nicht alles lese was über mich und meine Musik geschrieben wird, aber kritische Stimmen gibt es ja immer. Ich hatte bei diesem Album einfach das Gefühl, dass es in deutscher Sprache einfach gut wäre. Wie das letztlich ankommt müsste man in einem Jahr mal reflektieren. Prinzipiell ist es für viele Hörer einfacher die Texte zu fühlen und zu verstehen wenn sie in ihrer Heimatsprache aufgenommen sind. Ich habe die „Maureen“- Songs auch alle auf Englisch aufgenommen. Zu gegebener Zeit werden auch diese Songs erscheinen. Hier habe ich mit Bilal ein sehr schönes Duett aufgenommen. Letztlich ist es ja nicht so wichtig in welcher Sprache die Songs gesungen werden, sondern wie sie die Menschen ansprechen.

4. Wie lange hast du an „Maureen“ gearbeitet?

Joy: Insgesamt habe ich etwas über ein Jahr an diesem Album gearbeitet. Ein Album ist aber auch immer ein Prozess und der zieht sich natürlich über Jahre und lässt sehr viel in solch ein Projekt einfließen. Geschrieben habe ich die Texte hauptsächlich mit Sekou mit dem ich schon viel gearbeitet habe und seit den gemeinsamen Freundeskreis-Zeiten gut kenne und schätze.

5. Mit dem Dresdner Symphonie Orchester hast du 2008 eine Art „Soul Revue“ gestartet. Mit dabei waren die amerikanischen R’n’B-Künstler Bilal, Tweet und Dwele. In wie weit war diese Erfahrung wertvoll für deine weiteren Schritte als Künstlerin und für „Maureen“?

Joy: Das war eine sehr spannende Geschichte. Ich habe bei diesem Projekt mit Künstlern gearbeitet die ich persönlich für sehr gut halte. Interessant war natürlich, dass das alles so unterschiedliche Stimmen sind. Solche Arbeiten sind für einen Künstler immer wertvoll und mit Bilal habe ich ja danach auch noch mal gearbeitet. Zudem hat es unglaublichen Spaß gemacht alte Soulklassiker zu covern.

6. Was denkst du hat sich in den letzten Jahren in Deutschland getan, wenn es um Soul geht? War der Megaerfolg von„I need a dollar“ nur ein unerklärlicher Zufall? Orientieren sich Künstler wie Amy Winehouse, Joss Stone, Adele oder James Morrison einfach so wieder verstärkt am klassischen Soul der 1960er und 1970?

Joy: Bin ich mir immer noch nicht sicher ob „I need a dollar“ die Leute wegen der Aussage nicht mehr angesprochen hat. Klar ist das ein starker Soulsong, aber ich weiss nicht ob der große Erfolg wirklich musikalisch so viele Menschen von dem Genre überzeugt hat?! Prinzipiell hört man vor allem bei Amy, dass sie einfach Soul hat. Sie alle lassen sich von Soul etwas mehr beeinflussen. Das ist bei mir natürlich auch so. Parallelen findet man hier überall. Es geht ja letztlich um die Ausführung wie Soul jeder für sich in seine Musik hineinarbeitet und definiert. Adele hat sicherlich eine großartige Stimme – ob sie so sehr vom Soul beeinflusst ist, mag wohl auch mehr von außen hinein interpretiert sein. Ich habe auf „Maureen“ auch Soul, Pop und R’n’B auf meine Weise vermischt. Ich denke, dass jeder der genannten Künstler einen anderen Ansatz hat. Ich habe überhaupt nichts gegen Popsongs wie von Künstlern wie Rhianna, aber sie wären einfach nicht kohärent zum Rest von „Maureen“ gewesen. Man denkt ja gerade in Deutschland schnell, nur weil man Soul macht klingt das dann alles sehr verstaubt. Dem ist ganz und gar nicht so.

7. Man betitelt seit ein paar Jahren, gerade wir von der Musikpresse, die New Yorkerin Sharon Jones ( and the Dap-Kings) als die Initiatorin der Renaissance des traditionellen rohen und analog eingespielten Soul. Bestärken dich solche kleinen Rückbesinnungen auf die pure Essenz von Soul und Funk mit deinem Ding weiter zu machen?

Joy: Als Fan von klassischer Soul und Funk Music hab ich das natürlich gefeiert und finde, dass Sharon Jones ein große Persönlichkeit ist, jedoch hatte das keinen Einfluss auf mein Album. Ich versuche immer da einen ganz eigenen, persönlichen Ansatz zu finden. 

8. Ich glaube jeder der Musik liebt und in irgendeiner Form praktiziert, hat so ganz bestimmte Wünsche. Der eine wünscht sich ein Feature von Lauryn Hill, der nächste würde gerne mal mit den Isley Brothers eine Flasche Rotwein trinken, der Nächste würde gerne mit D’Angelo ein Duett aufnehmen. Was ist das bei dir?

Joy: Meine Helden sind Stevie Wonder und Donnie Hathaway. Es wäre ein großer Traum mit Stevie zu arbeiten. Donnie ist ja leider schon tot. Faith Evans finde ich auch super und würde sehr gerne mal mit ihr arbeiten. Das sind drei Künstler deren Musik ich sehr mag und die sicherlich auch immensen Einfluss auf meine Musik haben.

9. Ich habe noch eine 12inch namens „Torch of freedom“ zu Hause ausgegraben aus dem Jahr 2003. Da hast du Cleveland Watkiss deine Stimme für ein Reggae-Stück geliehen. Auf „Music“ hast du einen House-Tune von Tiefschwarz veredelt. War es wichtig für deine künstlerische Integrität auch mal neben dem FK-Allstar-Stuff etwas auszuprobieren?

Joy: Ich fand es schon immer interessant an solchen Projekten mitzuwirken. Ich bin nach wie vor offen für solche Zusammenarbeiten, jedoch ist man natürlich immer auf sein Werk fokussiert und dann fehlt leider die Zeit. Es ist immer auch wichtig bei solchen Arbeiten mitzuwirken – das ist spannend und gewährt oft auch sehr interessante Einblicke.

10. Du kommst aus einer großen Familie mit 5 Geschwistern. War Musik immer ein wichtiger Teil bei euch zu Hause?

Joy: Meine Geschwister machen leider keine Musik aber wir sind natürlich sehr von meinem Vater beeinflusst. Der hat eine große Plattensammlung und bei uns zu Hause liefen diese auch ständig. Es lief vor allem sehr viel klassischer Soul, Funk und Jazz.

11. Faszinierend fand ich deine Interpretation des Nina Simone-Songs „Four women“ auf deinem „Mamani“-Album. Haben dich starke Künstlerinnen-Persönlichkeiten wie Aretha Franklin, Nina Simone, Erykah Badu oder Betty Wright?

Joy: Ich kann nicht sagen, dass ich je Vorbilder hatte, aber natürlich hat mich diese Musik angezogen. Bis heute höre ich viel Soul, Funk, R’n’B und HipHop. Natürlich haben die ganz großen Künstlerinnen wie Nina Simone oder Aretha Franklin einen ganz bestimmten Einfluss auf mich. Aber ob Chaka Khan oder Johnny Watson – sie alle haben mich geprägt und tun es heute noch. Dazu zähle ich auch aktuelle Künstler wie Erykah Badu oder Faith Evans.

12. Deine Single heisst „Niemand“ und dazu gibt es auch einen Remix mit Samy Deluxe, Max Herre und Megaloh. Heisst das, dass du immer noch eine gute Verbindung zu HipHop hast oder bist du da inzwischen doch etwas herausgewachsen (wenn man das so überhaupt sagen kann)?

Joy: HipHop ist für mich immer noch wichtig und ich glaube nicht, dass es irgendwann mal anders sein wird. Ich bin mit HipHop groß geworden und es ist ein wichtiger Teil vor allem in meiner Teenagerzeit gewesen. HipHop hat mir Selbstvertrauen als Deutschafrikanerin gegeben und hatte einen sehr starken Identifikationsfaktor für mich. Diese Kultur ist ein Teil von mir und nach wie vor verfolge ich was da läuft. Deshalb gibt es auch den Remix von der Single „Niemand“ mit Megaloh, Max & Samy Deluxe.

13. Bei TV-Shows wie die von Stefan Raab oder Kurt Krömer warst du schon. Einen Interviewmarathon hast du schon hinter dir. Du gehst jetzt auf große Tour. Wie geht es weiter?

Joy: Natürlich freue ich mich jetzt mein Album live präsentieren zu können und
bin gespannt wie das Feedback der Fans auf das Album sein wird. Die Tour steht
jetzt im Vordergrund und dann wird man sehen wie es weitergehen wird. Ich hoffe
natürlich, dass den Menschen da draußen „Maureen“ gefallen wird und dass es
inhaltlich und musikalisch die Leute ansprechen wird.

 

Text & Interview: Peter Parker

Artikel ist ursprünglich in der UPTOWN STRUT (Print 2011) erschienen!

 

Joy Denalane hat 2020 ein Album namens "LET YOURSELF BE LOVED" auf dem legendären Soul-Label MOTOWN veröffentlicht.