Interview: DJ Stylewarz

Zum Release des Videos "Der Letzte seiner Art" - der Dokumentation über das Schaffen der DJ-Ikone haben wir ein altes, zeitloses Interview von 2014 erneut online gestellt.

 

Enjoy. 


Michael Whitelov ist eine nicht wegzudenkende Institution der hiesigen DJ und HipHop-Kultur. Bekannt, berüchtigt und geschätzt wird er für seine eigene Meinung und seine Skillz. Irgendwo ist Stylewarz zwischen Trettmann, Torch und Drum'n'Bass immer ein Aktivposten, der nicht mehr wegzudenken ist.

 

Nun erschien eine einstündige Dokumentation über Stylewarz und das nahmen wir zu Anlass - ein altes Interview aus dem Jahr 2014 wieder zu veröffentlichen.

 

1. HipHop wird oft als Jugendbewegung missverstanden. HipHop als Subkultur wird dabei oft außen vorgelassen. Wie gehst du als Aktivist damit um?

Ja, das ist ein deutsches Problem und wie die Medien das verkaufen. Auch die meisten hiesigen HipHop-Medien eingeschlossen. Der DJ wird hier immer noch oft respektlos behandelt, in dem er außen vor gelassen wird. Die DJ-Kultur ist Teil der HipHop-Kultur. Jeder komische Deutschrap-Künstler wird mehr präsentiert als die DJs. Das stört mich genauso wie die ü30-Diskussion. In den USA ist das komplett anders. Wenn du ein gewisses Alter hat, bist du jedoch immer noch voll respektiert für das was du machst oder darstellst. Hierzulande wird doch sofort hinterfragt, warum man HipHop ist, obwohl man über 30, 40 oder 50 ist. 

2. Wie man allgemein hört, steht ein neues Album von dir vor der Tür? 

Ich machte alles selbst, deshalb geht es natürlich etwas länger. In der Tat wird es noch 2014 meine EP mit dicken Remixes und zwei neuen Stücken geben. Das Album ist in der Pipeline und soll Anfang nächsten Jahres erscheinen. Ich veröffentliche es selbstverständlich auch als Vinyl, weil ich es als sehr wichtig empfinde und mich unwohl fühlen würde, wenn es rein digital rauskommen würde. Es wird über mein eigenes Label erscheinen und einige Überraschungen mit sich bringen. 

3. Wer war involviert? War es schwer alle Features zu bekommen, die du gerne hättest?

Ich möchte eigentlich noch gar nicht so viel dazu verraten. Auch aufgrund dessen, dass oft der Fokus der Öffentlichkeit auf den Gastbeiträge liegt und nicht auf der Musik. Ich habe auf dem Album einige reine DJ-Tracks – die ich als Schwerpunkt gesetzt haben will. Natürlich werden auch Rapkünstler darauf zu hören sein. 

4. Es gab jüngst kritische Äußerungen von dir über US-Rapstars & Features! Was hatte es damit auf sich?

Stars! Das ist der Punkt. Die meisten haben eine komplett falsche Herangehensweise und ein anderes Verständnis wie ich zu HipHop. Die haben hier in Europa Auftritte und lassen den Star raushängen. Connecten nicht wirklich und spielen sich auf. Die Live-Auftritte sind schwach und unmotiviert. Die benehmen sich oft wie die letzten Idioten. Da hab ich kein Bock drauf. Ich bin großer Fan von US Rap und von so vielen Künstlern. Da würde mir auch einiges kaputt machen, wenn ich die zu einer Zusammenarbeit bewegen würde. Sagen wir mal so. Das ist Selbstschutz. Ich will mir das Bild von ihnen bewahren, das ich habe, weil ich ihre Platten liebe. 

5. Wie ist das mit den US-DJs? 

Primär ist es so, dass die US-DJs weltweit mehr Respekt bekommen – obwohl einige von Ihnen nicht so gut sind, wie einige aus Deutschland. Dazu gibt es so viele Geschichten mit einigen amerikanischen DJs, die ich für unfassbar und inakzeptable finde. Ich bin z.B. Grandmaster Flash für alles dankbar was er für HipHop getan hat. Aber bei allem Respekt geht es überhaupt nicht, dass der weltweit in den Clubs seine Liste mit 500 Songs abgibt, die die anderen DJs an diesem Abend nicht spielen dürfen (ansonsten ist er angepisst und du als Booker vertragsbrüchig). Sorry geht gar nicht. 

6. Die DJ-Kultur bekommt aktuell durch die Red Bull ThreeStyle-Battles wieder mehr Aufmerksamkeit….

Da magst du auf der einen Seite Recht haben. Ich habe jedoch ein wirklich gespaltenes Verhältnis zu dieser ganzen Sache und wurde ja auch schon gedisst, weil ich mich kritisch darüber geäußert habe. Der Brausemillionär pumpt unglaublich viel Geld in diese Sache. Aber was ist, wenn der das mal nicht mehr macht? 

7. Du meinst wie wenn Abramowitsch keine Lust mehr auf den FC Chelsea hat!

Ganz genau. So sieht es aus. Dazu kommt, dass dieses Event primär für Entertainment gezüchtet ist. Es soll unterhalten. Hat so einen DJ-Playstation-Charakter. Da sind auf alle Fälle einige supergute DJs am Start. Aber sind wir ehrlich: Einige können nicht mal scratchen, sondern nur Knöpfchen drücken. Die DJ-Jury ist bekannt und legendär. Kid Koala, Q-Bert oder Jazzy Jeff sind da dabei. Man hat sich da schon DJ-Reputation gekauft und da Prinzip sollte dann aber auch weitergeführt werden und nach den tatsächlichen Skillz bewertet werden und nicht nach dem Unterhaltungswert. Ich finde das sehr gefährlich. 

8. Gehen wir zurück zu deiner Platte. Gab es Probleme beim Clearing der Samples? 

Bisher alles gut. Ich spiele auch Vieles nach bzw. live ein. Ich bin auch sehr froh, dass ich bisher keine Probleme in dieser Richtung hatte. 

9. Producer-Alben aus Deutschland hatten es allgemein immer etwas schwerer und bekamen vergleichsweise nicht die Aufmerksamkeit die MCs bekamen. Ich denke da an Thomilla, Frico, Desue, Sepalot oder aktuell Psaiko Dino. Was denkst du woran das liegt?

Es liegt immer an der Darstellung und was du lebst. Ich sehe mich primär als DJ, der produziert. Ein Psaiko Dino (Chimperator) ist wahrscheinlich eher ein Produzent als ein DJ. Meine Reputation und das was ich seit Jahren propagiere ist das DJ-Dasein. Ich lebe das. Das wird auch auf meiner Platte rüberkommen. Somit handelt sich eben nicht um ein Produceralbum wie es Frico oder Thomilla um die Jahrtausendwende gemacht haben.

10. Was hat sich inspiriert für deine Beats?

Ich sitze oft im Studio oder im Zug oder sonst wo und analysiere Musik verschiedener Genres. Ich schau wie es Madlib macht, genauso wie Goldie seine Breakbeats gebastelt hat. Ich finde man muss sehr offen für Musik sein. Ich finde es schwierig, wenn man sich den ganzen Tag nur HipHop anhört. 

11. Auf BBE MUSIC gab es eine legendäre Reihe an Producer-Alben (Instrumental & mit Features) von Kreativkräften wie J Dilla, Jazzy Jeff, King Britt, DJ Spinna oder Marley Marl. Das Konzept war, dass man ihnen jegliche Freiheiten lies und sie zu keinen Kompromissen zwang. Die Resultate sind fast durchweg fantastisch. War „The Beat Generation“ ein Wendepunkt?

Ich glaube die DiIlla-Geschichte war ein Kickstart für das alles. Für alles was da noch kam und darüber freue ich mich extrem. Ich brauche nicht immer eine MC der mir irgendwas erzählt. Die Musik muss im Vordergrund stehen. 

12. Instrumentaler HipHop hat lange gebraucht um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Die Instrumentals waren früher auf den 12inches eigentlich mehr für die DJs. Nun gibt es Leute wie Dexter, Figub, der Hi-Hat-Club (auf Melting Pot Music) oder KanKick. Diese Entwicklung kann man durchaus als positiv werten! Was meinst du?

Ich freue mich sehr darüber. Da gibt es auch extrem dopes Zeug. Ich mag die Vielfalt in der Musik. Ich könnte auch nicht nur solche Beats hören. 

 

13. Ich erinnere mich an die spannenden Phasen als gerade Produzenten wie Dj Cam, Vadim, der Japaner Krush oder DJ Shadow mit ihren instrumentalen Abenteuerreisen den Hörer in seinen Bann gezogen hatten. Legendär waren die Veröffentlichungen auf Mo’Wax, Ninja Tunes, BBE oder auch Compost Records. Hatten diese Scheiben großen Einfluss auf dich?

Das fand ich extrem wichtig und sehr interessant. Da war viel Bewegung und Mut drin. Analog dazu war ich schon sehr früh an Breakbeats interessiert und das was später als Jungle oder Drum’n’Bass bezeichnet wurde. Für mich war das lebendig nicht zu experimentell wie für viele andere Leute. Ich hatte das große Glück dass ich in einem Freundeskreis bin, der extrem viel gute Mucke hört. Dub, Reggae, Funk etc. 

14. Kommen wir zu deiner Tätigkeit als DJ. Du bist immer noch viel unterwegs. Du spielst Festivals (wie das Splash), Partys und sonstige Veranstaltungen. Gibt es etwas, was du gar nicht machst? 

Überall wo ich Vorschriften habe. Ich brauche meine Freiheit beim Auflegen. Deshalb sind Grossraumdissen oft vorher schon raus. Reine Boombap-90sHipHop-Abende finde ich cool, aber es langweilt mich auch auf Dauer. Ich muss mich austoben können. In den Genres switchen können. Ich mag „MCs act like they don’t know“ (KRS 1) oder „Full Clip“ (GANGSTARR) aber wenn du das Zeug so oft gespielt hast, verliert es oft an Energie und Wirkung. Das will ich vermeiden. Ich mag es, wenn Leute wie Mirco Machine oder Dister solche Partys machen und die Leute ohne Hits bewegen. 

15. Das digitale Auflegen (Serato, Traktor) hat die DJ-Kultur weiterentwickelt. Unterschreibst du das?

(lacht). Ich weiß worauf du hinaus willst. Sowohl als auch. Ich finde es richtig gut. Es gibt so viele neue Möglichkeiten um DJ-Sets/Mixes kreativer zu machen. Da wird dir auch jeder bestätigen, der professionelles DJing betreibt. Was mir auffällt ist, dass es viele Nachwuchsdeejays gibt, die meinen, sie müssten sich keine Skills mehr aneignen. Dazu kommt, dass viele sich nicht mehr tiefgehend mit der Musik beschäftigen. 

16.  Die Flut an Musik im Netz ist immens. Wie findest du die Songs die du spielen willst? Liest du Blogs? Beatport-Charts? Plattenladen?

Alles irgendwie. Ich höre sehr gerne die englischen Pirat-Radio-Sender übers Internet. Da ziehe ich oft sehr viel Inspiration raus. Dazu checkt man natürlich die Blogs und ich gehe immer noch gerne Plattendiggen. 

17.  Ist die Wertschätzung für Musik durch die MP3-Errungenschaft und das Streaming verloren gegangen?

Dazu frage ich mich erst einmal, ob das File als Produkt wahrgenommen wird. Für mich ist ein physischer Tonträger wichtig. Ich spiele und kaufe Mp3s. Ich kaufe und sammle Vinyl. Ich glaube, dass die Generation der MP3 einen anderen Umgang mit Musik hat. Sie wollen sie nicht mehr besitzen. Qualität ist nicht mehr so wichtig. Ich gehöre einer ganz anderen Generation an. 

18. Braucht HipHop, deiner Meinung nach, ein Geschichtsbewusstsein wie man es im Rock oder Jazz findet? Ich behaupte mal, dass die meisten Rockfans wissen was Led Zeppelin und jeder Jazzfan weiß wer Miles Davis ist. Ist es wichtig, dass ein junger HipHop-Head den Namen Kool Herc zuordnen kann!?

Da machst du jetzt ein Fass auf! Die Frage ist für mich ob du das Geschichtsbewusstsein braucht um real zu sein?! Es gibt solche Typen, die sich darauf einen einbilden. Und glaube mir, es gibt viele Nerds, die mich damit schon so genervt haben. Ich glaube prinzipiell ist eine Auseinandersetzung mit den Wurzeln nicht schlecht. Da gibt es sehr viel so Interessantes! Gerade Herc und die jamaikanische Soundsystem-Culture! Die Blockpartys! Funkplatten! Es gibt hier defintiv so viel gefährliches Halbwissen. Aber das sollte auch jeder für sich entscheiden. Ich denke, dass ein Bewusstsein entsteht, sobald du dich damit teifer gehend beschäftigst. 

19. Marious Finger von Root Down sagte zu mir: „Das DJ Orchester hat meine Gehirnrinde gefickt“. Kannst du mal in Worte fassen, was Marious so begeistert hat und was den Gast erwartet?

(lacht) Ich glaube wir haben einfach einige Routines gespielt mit verschiedenen Musikstile an 6 Turntables gespielt. Da gab es massiv Rap aber auch Dubstep und Bass Music. Es gibt immer eine super Energie wenn wir zu dritt auflegen. Leider ist das Thema beerdigt. Mixwell hängt viel in Kapstadt ab und plant längerfristig dort zu bleiben. Mirco hat sein Rapding & Rare Groove-Ding heftig am Laufen und so bleibt natürlich zu wenig Zeit um das zu gebührend weiterzutreiben. 

21. Mit Torch aka DJ Haitian Star bildest du das Team „Double Trouble“. Wird man das in Zukunft noch einmal hören? 

Hat sich bisher noch nicht ergeben. Ich hätte sehr Lust mit Torch noch einmal was zu starten. Als Rapper sowie als DJ. Sein aktueller German-Funk-Mix finde ich auch sehr gut. Er hat sich da wieder mal sehr gut in einen Schwerpunkt eingegraben. Mir ist das oft zu viel und endlos sowie uferlos. Es gibt ja immer noch und immer wieder so viel gute Musik zu entdecken. 

22. Wenn DJ Stylewarz so 60 Jahre alt ist…..

……baut er Kartoffeln an! (lacht)
Nein, er lebt in einem Haus mit seiner Frau und seinen Kindern und ist hoffentlich gesund. 

 

Text & Interview: Peter Parker