Max Herre

Mit der seiner Kombo Freundeskreis schrieb er deutsche HipHop-Geschichte. Als Solokünstler überrascht er immer wieder mit Ausflügen in Genres wie Jazz, Funk, Reggae, Singer/Songwriter-Mucke oder Afro. 

 

Wir sprachen mit einem der begnadesten Künstlern in Deutschland noch vor er die legendäre Unglugged-Session einspielte oder in der Voice of Germany-Jury saß. 

 

2019 erschien sein letztes Soloalbum "Athen"

 


„Jeder Mensch sucht irgendwas und jeder hofft, dass sich die Dinge zum Guten wenden“

 Der in Berlin lebende und aus Stuttgart stammende Musiker, Produzent, Rapper und Sänger Max Herre hat Ende der 90er Jahre mit seiner Gruppe Freundeskreis viel im deutschsprachigen HipHop verändert. Werke wie „Esperanto“ oder „Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte“ haben für neue Perspektiven in vielerlei Hinsicht gesorgt. Rückwirkend sprechen heute viele Kritiker und vor allem die Fans von der einflussreichsten Zeit des hiesigen HipHop. Seine Affinität für die Musik großer deutscher Künstler der 80er Jahre wie Rio Reiser und Udo Lindenberg hat schon früher seine Arbeit beeinflusst. Auf seinem Soloalbum „Ein geschenkter Tag“ löst er sich komplett vom HipHop und baut auf melancholische Melodien zwischen Pop, Folk und Blues auf ehrliche Texte mit positivem Grundgehalt und auf die Intensität autobiografischer Geschichten. 

Fünf Jahre sind seid deinen Solodebüt vergangen. Dort hattest du schon angedeutet dass du Solo keine reine HipHop-Platte mehr machst. Man konnte da Rock, Pop, Reggae Einflüsse hören. War rückwirkend gesehen das nur die Entwicklungsphase / der Prozess zum reinen Singer/Songwriter Max Herre den man auf dem neuen Album hört?

Max Herre: Das war und ist ein Prozess meines musikalischen Schaffens. Es war mir schon immer wichtig viele Sachen parallel zu machen und breit gefächert zu arbeiten. Ich habe bereits mit 15 in einer Band gesungen in der wir sehr viel Reggae und Soul gemacht haben und uns an Folk, Jazz und Rock ausprobiert haben. Ich wollte mit dem neuen Album etwas machen was homogen ist und nicht so variable wie auf meinem ersten Soloalbum. Ich bin schon etwas zurück zu meinen Wurzeln aber vor allem habe ich so etwas geschaffen auf dem ich das transportieren kann so wie es will und wie es für mich am authentischsten und natürlichsten wirkt.

 In deiner Zeit mit Freundeskreis gab es immer wieder HipHop-untypische Referenzen zu Rio Reiser oder Udo Lindenberg. Diese zwei deutschen Künstler scheinen bis heute einen großen Einfluss und Inspiration auf dich zu haben?!

Max Herre: Rio habe ich ja bereits mit Freundeskreis eine Hommage als Reggae-Version seines Klassikers „Halt dich an deiner Liebe fest“ gewidmet. Der Song „Wir wollen doch einfach nur“ auf meinem neuen Album ist ein Udo Lindenberg Cover. Der Song ist von 1979. Seine alten Werke haben mich immer beeinflusst. Das war auch meine erste Platte die ich gekauft habe und auf dem ersten Rockkonzert ich war. Der Song war mir wichtig weil es eine Liebe in Zeiten der Mauer beschreibt. Eine Zeit von der viele Jugendlichen ja gar nicht mehr viel wissen. Das geteilte Deutschland bzw. der Mauerfall ist jetzt 20 Jahre her, und das Thema als Song fand ich sehr passend.

 2007 gab es noch mal eine Reunion mit deinen zwei Kollegen für „FK10“. DJ Friction macht heute sehr viel Electro, Don Philippe produziert Bossa Nova & Jazz Alben. War die „Greatest Hits zum 10jährigen“für Euch alle der nötige Abschluß unter das Kapitel HipHop und Freundeskreis?

Max Herre: Für immer gibt es wohl nicht und ich will auch so was nicht ausschließen. Wir drei haben einfach unsere natürliche Entwicklung und alles sind für uns als Künstler logische Schritte die wir verfolgen. Das Comeback war 2007 nicht geplant. Es gab einige interessante Anfragen von Festival u.a. ein Auftritt auf dem 10jährigen Jubiläum des Splash-Festivals wo auch The Roots auftraten. Das machte damals für uns Sinn und es war ja auch irgendwie nostalgisch. Aber war 2007. Jetzt geht es einfach in eine andere Richtung.

Eines der extra neu für FK10 eingespielten Lieder hieß „Das Prinzip Hoffnung“. Ein Song der die Kontroversen des Lebens diskutiert jedoch an eine gewisse Grund-Positivität appelliert. Ein Song der in Zeiten der Krise inhaltlich aktueller denn je ist. Auch wenn er vor der Krise entstand. Dort hast du auf deinem neuen Album angeknüpft...

Max Herre: Ich habe damals wie heute gewissen Dinge die um herum passieren reflektiert und in meine Songs einfließen lassen. Das Lied „Wo rennen wir hin“ beschreibt einfach diese allgemeine Unruhe, das Gehetzte und diese ganze sinnlose Hektik. In Zeiten der Krise steht immer und überall alles auf der Kippe. Die Verunsicherung unter den Menschen ist höher denn je. Es war mich wichtig solche Themen auch zu verarbeiten und der Öffentlichkeit noch mehr Panik zu vermitteln.

Deine Texte auf den alten Kompositionen und auch auf den neuen sind immer optimistisch und reflektierend aufgeladen. Auch wenn du kein HipHop mehr machst hört man den Max dadurch immer noch sehr deutlich heraus. Stimmst du mir zu?

Max Herre: Das war mir immer wichtig und das ist bestimmt auch ein Aspekt wie ich mich als Künstler definiere. Positivität gab es schon immer und Musiker wie Curtis Mayfield oder Bob Marley haben das auch in ihren kritischen Texten immer transportiert. Jeder Mensch sucht irgendwas und jeder hofft, dass sich die Dinge zum Guten wenden. Musik sollte den Menschen Hoffnung und Glaube vermitteln und das will ich auch auf meine Art. Bob Dylan macht das schon seit über 40 Jahren auf eine sehr zynische, geniale Art.

 Gibt es eine Tendenz, dass viele ehemals wichtige deutschsprachige HipHop-Künstler sich neuen musikalischen Herausforderungen stellen? Jan Delay macht Funk & Disco, Samy Deluxe hat Reggae und die Gitarre für sich entdeckt. Ist das Rap-Ding mit über 30 einfach ausgereizt?

Max Herre: Das kann ich nicht beurteilen, da entscheidet jeder für sich und wie er das Talent hat musikalische das umzusetzen. Ich für mich habe gemerkt, dass es Zeit ist mich frei zu machen. Ich musste das machen was ich jetzt bin und was sich am besten für mich anfühlt. Der aktuelle HipHop hat nichts mehr mit mir zu tun und so zwänge ich mich da auch nicht hinein. Rap hat künstlerisch in den letzten Jahren zuwenig zugelassen und da ich nicht festgefahren bin habe ich mich im Moment dagegen entschieden. Ich liebe HipHop immer noch und werde auch immer Teil davon sein - aber aktuell ist nicht der Schwerpunkt. 

 Auf deinem neuen Album „Ein geschenkter Tag“ sticht vor allem heraus, dass du ein großes Talent hast, scheinbar autobiografische Elemente für eine breite Öffentlichkeit transparent/zugänglich zu machen ohne direkt darüber zu sprechen.

Max Herre: Nimm den Song „Scherben“. Ich habe die poetischere Sprache gewählt weil ich so zum Ausdruck bringen konnte was ich fühle. Inhaltliche Themen bringe ich lyrischer und bildhafter zum Ausdruck. Es geht z.B. um solche persönlichen Ansichten wie die Sinnlosigkeit von Schuldzuweisungen bei einer Trennung ohne explizit auf meine private Situation einzugehen. Auf „Der Teufel, der Traum“ geht es darum, das es so oft Widersprüche gibt im Leben für was man sich entscheiden kann. Ich habe mir hier viele Sachen von der Seele geschrieben ohne sie direkt anzusprechen. Das ist mein Weg auf „Ein geschenkter Tag“

 Es scheint so als ob du nach der Produktion des Soulalbums für Joy Delanane den Folk und den Rock vermehrt für dich entdeckt hast. Auf deinen neunen Album können die Anspielungen auf The Rolling Stones oder Bob Dylan nicht größer sein.

Max Herre: Das ist etwas intensiver geworden. Ich habe mich im Folk und Rock der 60er Jahre mehr und mehr wieder gefunden. Letztlich sind wir zu allererst Kinder unsere Zeit und das sind bei mir die 80er mit Udo und HipHop. Nun habe ich mich verstärkt von diesem Sound beeinflussen lassen. Man muss ja sehen, dass ich einfach andere Musik für Joy produziert habe, die zu mir überhaupt nicht passen würde. Reggae ist zwar ganz präsent und aktuell aber das hatte ich schon bei Freundeskreis vertieft. Ich wollte primär einfach Songs schreiben die immer und überall, ob mit oder ohne Band, funktionieren. Ich wollte Musik mit deutschen Texten machen die voller Emotion und Seele ist. Ich glaube auch dass mir das ganz gut gelungen ist. Ich fühle mich mit dem Ergebnis sehr, sehr wohl.

 Denkst du, dass du durch deinen musikalischen Wandel in Richtung Singer/Songwriter-Musik ein breiteres, vielleicht ganz anderes Publikum wie das aus deinen HipHop-Tagen ansprechen kannst?

Max Herre: Ich denke, dass die Leute die vor zehn Jahren Freundeskreis gehört haben sich auch entwickelt und verändert haben. Ich denke, dass sie sehr wohl mit meiner neuen Platte etwas anfangen können und dass „Ein geschenkter Tag“ ihnen etwas geben kann. Ich denke auch, dass gute Musik immer und überall ankommen wird.

 Phil Collins hat mal gesagt, dass sich seine Fans über seine Scheidung(en) freuen können, weil er dadurch soviel Seelenmüll für zukünftige Texte und großartige melancholische Musik bekommen würde. Stimmst du nach deiner Trennung von Joy Denalane zu?

Max Herre: Kann ich schon nachvoll ziehen. Als Künstler hat man durch solche Erfahrungen natürlich die Möglichkeit das emotional durch Songwriting zu verarbeiten. Ich möchte dass aber auf Dauer nicht haben (lacht) wie Phil Collins.

 

Text & Interview: Peter Parker (2009)