KOKOLO AFROBEAT ORCHESTA 

 

Die New Yorker Kapelle KOKOLO wirbelt seit Jahren völlig unbekümmert ihren wilden und belebten Mix aus Funk, Afrobeat, Reggae und Latin Grooves durch die Atmosphäre und bekommt inzwischen rund um den Globus die Aufmerksamkeit, die ihr für ihre musikalischen Soundexperimente gebührt.

Die eingekehrte und anhaltende Renaissance an origineller Musik aus den 60er Jahren hilft dem Kollektiv mehr und mehr Musikbegeisterten seine Definition von Groove zu vermitteln. Dass die allseits populäre Skandalnudel Amy Winehouse mit Produzent Mark Ronsons Idee eines 60er Soul-Sounds die Charts weltweit beherrschte, scheint kein Zufall zu sein. Man giert wieder an vielen Orten nach authentischen Klängen und sucht Alternativen zum Sound der Klingeltongeneration.

Neben Funk und Soul ist nun auch auch Afrobeat auf dem Vormarsch. Kokolo spielt ihn seit fast 10 Jahren. Den energiegeladenen Ansatz beschwört Bandleader Ray Lugo immer wieder als frei von Konventionen und Genregrenzen – obwohl man tief verhaftet in der Soundästhetik des Zeitalters von Fela Kuti und James Brown ist. Die Faszination der Musik von Kokolo liegt vorzugsweise am Schmelztiegelfaktor, aber auch an der Verwurzelung mit der Eloquenz des Punkrocks und der Frische des oft vergessenen Oldschool-HipHop.

Im Big Apple ist immer noch alles möglich. Nun haben sich die Vollblutmusiker von Kokolo auf ihrem neuen Werk namens „Heavy Hustling“ dazu entschlossen, ihrer großen Inspiration, dem Godfather of Soul, James Brown, ihren Tribut zu zollen. Acht JB-Klassiker haben sie in ein völlig neues Gewand gekleidet, welches vor lauter Farben nur so begeistert. Natürlich ist dieser Klangteppich für die Tanzfläche bzw. für Konzerte gewoben.

Das Kokolo Afrobeat Orchestra transportiert perfekt die Groove-Funken auf den Hörer und verweist doch anhand neuerer Ansätze und Arrangements drauf, dass das Zentrum seiner Musik dort liegt, wo Fela Kuti Ende der 60er eine musikalische wie politisch brisante Revolution ausgerufen hat. Die einst vom nigerianischen Kuti-Drummer Tony Allen entwickelten Polyrhythmen reichen den Mannen von Kokolo jedoch nicht alleine. Der satte Latin-Twist wird zu keiner Minute vernachlässigt und vermittelt eine Lust und Freude an dieser Musik, wie man das in der Tat von sehr wenigen Bands weltweit hört. Gerade den leichte Switch zum 70er Jahre Salsa zeigt, dass Ray Lugo und seine Mannen die Meltingpot-Sounds der schwarzen und Latin-Einwanderer (Nuyorkians) sehr gut studiert haben und sie ganz markant als Referenz setzen.

So geht die Musik einer weiteren bemerkenswerten Gruppe weiter zurück in die Vergangenheit ohne dass sie sich den Vorwurf gefallen lassen muss, eine weitere Kapelle zu sein, die billige Retro- bzw. Vintage-Sounds kopiert. Wie wichtig die Einflüsse, Inspirationen und vor allem Authentizität für die Band ist, berichtet der Kopf der Band, Ray Lugo in einem sympathische, ausführlichen Gespräch. 

Euer Debütalbum habt ihr in den legendären Hallen der Daptone-Studios bei Gabriel Roth aufgenommen. Hättet ihr jemals gedacht, dass von hier aus mal etwas wirklich Grosses entstehen würde?

Lugo: Niemals. Wir hatten keine Ahnung wo das alles hinführen würde und dass sich so viele Menschen weltweit so sehr für diesen Sound interessieren könnten. Als wir mit Gabriel aufnahmen gab es einfach keine Gruppen die Afrobeat und Deep-Funk spielten, außer die Antibalas und die Daktaris. Deshalb war das auch alles so spannend und ist es heute mehr denn je. Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir immer noch die Möglichkeit haben unseren Sound aufnehmen zu können und vor allem nach 8 Jahren immer noch auf Tour gehen können. Das bringt uns immer wieder dazu auf der Bühne 150% zu bringen.

Wo liegt für dich der markante Unterschied zwischen den etwas bekannteren, ebenfalls aus NY stammenden Antibalas und Euch? Ihr beide habt den typischen Afrobeat als Ausgangspunkt…

Lugo: Die Antibalas und Seun Kuti & Egypt 80 (Sohn von Legende Fela) sind für mich zu allererst Pioniere und haben ein Duzend von Gruppen und Künstler rund um den Globus inspiriert. Sie sind für mich immer noch die Besten und entwickeln sich immer und immer wieder weiter. Wir legen mit Kokolo die Gewichtung mehr auf eine simplere Struktur, haben mehr Vocals und bauen mehr auf einem Songwriter-Ansatz auf.

Wie habt ihr Euch alle gefunden?

2001 habe ich Kokolo gegründet. Es hat eine ganze Weile gedauert bis ich kompetente und gleich gesinnte Musiker getroffen habe. Ich brauchte natürlich Leute die etwas wagen wollten und verstanden wohin ich wollte. Ich wollte einfach nie einfach Fela Kuti’s Sound nachspielen, sondern etwas Eigenes daraus formen. Fela & Tony hatten damals auch amerikanischen Funk und ihre Highlife-Einflüsse miteinander zu etwas neuem gekreuzt.

Wie können wir uns die Anfänge in New York vorstellen und wie siehst du es heute?

Lugo: NYC ist einfach unglaublich vielfältig. Nur hier hätte die Bewegung um Deep Funk, Raw Soul und Afrobeat wieder starten können. Nicht umsonst kommen hier die besten Künstler wie Sharon Jones & The Dap-Kings, Budos Band, Akoya, Sugarman Three oder die Antibalas her! Und glaub mir, es gibt noch viele, viele mehr. Nur hier war es möglich das sich dieser Sound wieder entdeckt und neu erfindet.

Einige aktuelle Bands aus dem Alternative/Indie-Rock-Bereich sind hörbar vom authentischen Afrobeat beeinflusst. Scheinbar bekommt dieser Sound allgemein wieder mehr Aufmerksamkeit.

Lugo: Mehr und mehr Bewusstsein für ein Non-Mainstream-Groove ist großartig. Ich habe beim Glastonbury Festival aufgelegt und es war schön zu sehen, dass die typischen Indie-Rocker genauso gefeiert haben wie die Rare-Groove-Freunde. Das zeigt doch mal wieder nur, dass es viele gemeinsame Ansätze gibt – die einfach zu oft und ganz kalkuliert getrennt werden.

Von Anfang an habt ihr von einigen Schlüsselfiguren wie BBC’s Gilles Peterson oder Masters at Works’ Louie Vega Airplay bekommen. Wie wichtig empfindest du das?

Lugo: Man kann es nicht oft genug danken, dass Leute wie Gilles oder Louie
und einige Weitere unsere Musik verbreiten. Diese Aktivisten kennt man auf der
ganzen Welt und sie sind einfach Tastemaker. Die richtigen DJs bringen den
Menschen den Groove, den sie sonst nicht entdecken würden – weil unsere
Musik die Menschen zwar zum Tanzen bringt, jedoch irrelevant für den
Mainstream bzw. viel Radiostationen und Musiksender sind.

Euer neues Werk heisst „Heavy Hustling“ wird wirbelt irgendwo zwischen klassischen Afrobeat, Latin Boogaloo Style und Funk. Habt ihr bei diesem Konzeptalbum einfach Eure Einfluße mal in einen Topf geworfen?

Das kann man schon so sehen. Als ich ans Komponieren ging, reflektierte ich
erst einmal, welche Gruppen bzw. Epochen mich bewegt haben. Bei unserem
zweiten Album „More Consideration“ war es zum Bespiel das Buch „The Book of
Life“ von Krishnamurti. Dieses Mal waren es einfach Musik und ihre Helden die
wir verstärkt einfließen ließen.

Also lag dieses Mal das Hauptaugenmerk darauf, neben dem nigerianischen
Afrobeat den klassischen, amerikanischen Funk anhand von Songs aus der Feder von Großmeister James Brown zu interpretieren?

Lugo: Völlig korrekt. Ich hatte die Idee nach dem ich James Brown kurz vor seinem Tode noch mal live gesehen hatte. Seine Musik hat mich so sehr geprägt. Eine Hommage zu machen war mir jedoch zu simple, weil das wirklich viel schon getan haben. So musste wir natürlich unseren eigenen Sound hinzufügen und neu interpretieren.

Ihr genießt einen hervorragenden Namen als Live-Band und seid ständig auf Tour. Viele Leute haben den romantischen Gedanken, dass man als Musiker heutzutage gut davon leben kann. Entspricht das bei Euch noch der Realität?

Lugo: In der Tat ist es nicht so wie viele Menschen denken. Wir verbringen viele,
viele Stunden damit zu reisen und auf den Moment zu warten, für den wir
aufgebrochen sind. Man sollte genau wissen, dass niemand von uns nur
annähernd reich ist oder jemals sein wird. Wir leben für diese Musik und das spürt
man wenn wir auf der Bühne sind. Es ist nach wie vor es wert, ständig unterwegs
und immer müde zu sein. Das Bild des Rockstars der 70er gibt es nicht mehr.
Musikerleben ist frei, jedoch sehr hart. Das kannst du mir glauben. Wir sind
jedoch sehr dankbar, dass wir diese Möglichkeiten wahrnehmen können. Wir
leben schon unseren Traum, auch wenn er relativ klein wirkt.

Was denkst du über die gestiegene Aufmerksamkeit die man weltweit FUNK & SOUL entgegen bringt? Im Gegensatz zu Europa & Asien geht ja in den USA relativ wenig.

Lugo: Afro, Funk & Soul sind Genres die unglaublich in Asien und Europa gewachsen sind und mit ihnen die Fans. Im Gegensatz zu den Amerikanern gibt es hier wirkliche Euphorie. In den USA interessiert man sich wenig für Underground-Music. Es geht einfach hier etwas länger. Die Leute sind nicht so offen. Vergleich es mit Drum’n’ Bass. Als das bei uns sich einigermassen durchsetzte war es in England schon wieder out.

Ihr habt mit einer ganzen Riege an populären Künstlern schon die Bühne geteilt. Ich denke da an Soullegende Issak Hayes, UK-HipHop-Urgestein Roots Manuva, die Discofunk-Kultband Chic oder Jazzfunk-Virtuose Roy Ayers. Was für euch die markanteste Erfahrung?

Lugo: Als wir mit CHIC gespielt haben war ich so beeindruckt wie professionell und leidenschaftlich diese Jungs nach 30 Jahren auf der Bühne immer noch sind. Alle anderen Künstler bleiben mir auch nur positiv in Erinnerung.

Was gibt es für Pläne oder zukünftige Projekt bei Euch?

Lugo: Wir realisieren gerade ein Kokolo-Album das Afrobeat in spanischer Sprache beinhalten wird, dass im Spätjahr kommen soll. Daneben baue ich an einem 70s-Salsa-Funk-Werk namens Ray Lugo & The Boogaloo Destroyer. Natürlich sind wir weiter weltweit auf Tour mit Koloko.

 

Das  Album “Heavy Hustling” von Kokolo erschien am 22.04.09 auf dem Label Record Kicks. Erhältlich als CD / VINYL / DOWNLOAD / STREAM