GLOBAL BEATS MAESTRO
Der Wiener Produzent und DJ gehört zu den wenigen Soundtüftler und Kosmopiloten die den Global-Beat auf ihren Werken musikalisch verwirklichen. Unter dem Pseudonym Dunkelbunt veröffentlicht Lindemann seit 2005 sehr fleissig Remixe und Produktionen die keine Genregrenzen kennen wollen. Auf seinem aktuellen Werk "Sun Dub Vol.2" verbindet er Swing, Electro, Balkan-Folkore, Orientalische Klangwelten mit Drum'n'Bass und House. Er stand uns Rede und Anwort!
1. Wie lebt es sich in Wien, als gebürtiger Deutscher?
Ich bin schon seit über 10 Jahren hier und fühle mich sehr wohl. Diese Stadt hat soviel zu bieten und zu entdecken.
2. Hat dich der typische Vienna-Downbeat-Sound, der Mitte der 1990er Jahre hochkam sehr in deinem Schaffen beeinflusst?
Das ist mit unter ein Grund warum ich nach Wien gekommen bin. Kruder & Dorfmeister, Vienna Sciencists und all diese Leute. Das Interessante ist, dass ich dann aber über eine ganz andere Musikrichtungen gestolpert bin. Das war das, was man heute als Balkan Beat bezeichnet. Diese ganzen südosteuropäischen Klangwelten waren hier in Wien schon vor vielen Jahren sehr, sehr beliebt und sehr groß.
3. Man hört diesen Einfluss auf deinem Debütalbum „Morgenlandfahrt“ sehr deutlich. Das Album hast du zwischen 2002 und 2005 aufgenommen und auf den Label Chat Chapeau veröffentlicht. Dort kooperierst du mit bekannten Bands aus dem Bereich Gypsy Brass und Balkan Sound. Wie kam es dazu?
Primär ging das erstmal übers Internet. Hier ergaben sich die ersten Kontakte und der erste Austausch. Dazu muss man aber sagen, dass in Wien von Anfang an viele dieser Bands regelmäßig gespielt haben. Nach meinem Gefühl ist Wien die Stadt in der überhaupt die meisten „Balkan Partys“ stattfanden. Es hat relativ früh dort begonnen und ist bis heute sehr beliebt. Natürlich ist das auf die Faktoren zurückzuführen dass Wien etwas weiter im Osten liegt und dass es hier einfach viele Migranten aus Ex-Jugoslawien gibt. Dann bin ich früh begeistert von dieser Musik gewesen und habe natürlich Festivals besucht und versucht die Protagonisten zu kontaktieren. Es war ein Prozess der, wie man heute hören kann, seine Früchte davon trägt.
4. Der wirkliche Balkan-Beat-Hype spurt man in Deutschland jedoch erst seit sagen wir mal zwei bis drei Jahren.
Es ist schon so, dass das ganze an verschieden Orten einfach klein und lokal entstanden ist. Natürlich haben gerade Leute wie Shantel dazu beigetragen, dass das ganze in neue Dimensionen gekommen ist. In Wien gab es gerade in der Zeit um 2004/2005 sehr viele Parties zum Thema. Der Ostklub hat eine gemacht. Es gab die Balkan Fever-Reihe. Konzerte von Balkan-Größen kamen hinzu. Ich habe selbst sehr viel aufgelegt. Es war ein richtiger Boom in Wien.
5. Im Moment bist du auf Welttournee durch aller Herren Länder. Man sieht dich aber nicht allein auf der Bühne mit zwei Plattentellern, sondern du spielt mit deinem Dunkelbunt-Soundsystem. Wie kann man sich das vorstellen?
Im Prinzip ist das schon auflegen, aber im Wechselspiel mit live eingespielten Parts von Keyboard und den Mischpulten. Dazu ist mit mein Live-MC dabei. Es ist also auch ein großer Teil aus der Konserve, weil ich doch ein sehr vielfältiges Programm fahre. Das ist schon sehr komplex ohne eine Gruppe von 20 Personen auf der Bühne zu haben. Ein Dunkelbunt-Orchester oder den Dunkelbunt-Allstars zu haben ist natürlich ein Traum von mir, aber im Moment nicht realisierbar. Aber nächsten Jahre wollen wir schon etwas aufstocken und ein, zwei Leute mit ins Boot bzw. auf Tour zu nehmen.
6. Hast du den Balkan Sound hauptsächlich durch Wien kennengelernt oder bist du auch auf Reisen gewesen?
Ich bin 2001 nach Wien gekommen und habe sofort sehr interessante Sachen in die Hand bekommen. CDs und Konzertkarten für Boban Markovic haben mich sofort in ihren Bann gezogen. Danach bin auf eine Fahrradtour von Wien nach Istanbul gegangen. Da durchkreuzt man ja sieben Länder und fährt immer der Donau entlang. Die Idee ist daher entstanden, weil ich der Musik hinterher reisen wollte bzw. die Musik dort weiter entdecken zu können wo sie herkommt.
7. Man hört an vielen deiner Produktionen jedoch auch einen orientalischen Soundeinschlag. Was dein Ziel der Reise deshalb Konstantinopel?
Ja man kann das schon so sehen. Ich interessiere mich sehr für die Musik des Orients, jedoch auch für die Klangwelten in Indien. Das ist sehr improvisierte und extatische Musik. Das spiele ich sehr gerne selbst am Klavier. Das ist wie ein Ritual für mich. Da kann ich mich gehen lassen und kann neue Ideen finden. Es gab aber schon in den späten Neunzigern Veröffentlichungen die indische, arabische traditionelle Musik mit elektronischen Sounds verbanden. Ich denke da spontan an Ninja Tunes aus London. Was mich da schon immer gefesselt hat ist wie man die Harmonien des Alten mit den Beats des Neuen verschmelzen lassen kann. Die Brücke zwischen Wien und dem Orient war der Balkan. Da war nicht nur für mich wichtig, diese Erkenntnis. Ich habe da irgendwann die ganzen Parallelen zwischen den Balkan, dem jüdischen Klezmer, dem arabischen Sound für mich entdeckt. So kann ich Manouche (Gipsy Swing) und vieles mehr mit neuen Ideen weiterentwickeln.
8. Musikalisch scheint es auf deinen Platten sowieso keine Grenzen zu geben. Es ist sehr schwer deinen Trademarksound in Worte zu fassen. Du hast Drum’n’Bass, House und HipHop-Elemente neben den althergebrachten Tönen in deiner Musik.
Ich mag nicht eingegrenzt werden. Vielleicht möchte ich das ja mal im Alter. Aber im Moment arbeite ich sehr gerne sehr frei. Ich beobachte dass ja auch vielen Künstlern die ich vor zehn Jahren als meine Musikgötter bezeichnet habe. Die machen heute immer noch das gleiche – das verstehe ich überhaupt nicht. Ich halte es nicht nur beim Produzieren so. Auch beim Auflegen wechsle ich ständig die Richtung, damit es bunt und spannend bleibt. Jeder Erdteil hat seine eigenen, wundervollen Klangfarben. Ich spiele sie alle gerne.
9. Man hört das auf deiner neuen Platte „Sun Dub Vol. II“ auch. Dort ist nicht alles laid back wie man das von Dub kennt…
Ja der Name ist etwas unglücklich gewählt. Es sind im Prinzip drei Teile. Der erste Teil hat den relaxten Vibe von Dub. Der zweite ist mehr Electro-Swing. Da habe ich Elemente von italienischem Tarantella und südamerikanischen Sounds eingeflochten. Im letzten Teilbereich geht es in den Uptempo-Bereich wo ich die Breakbeats mehr gefordert habe. Da sind natürlich viele Edits und Remixe von mir dabei und ist ein bisschen ein Queerschnitt durch mein schaffen und von Scheiben die ich persönlich gerne mag.
10. Ist die Aufmerksamkeit durch den Riesenerfolg von Shantel für Künstler wie dich gewachsen?
Primär denke ich dass sich alle, die in diesem Sound unterwegs sind, sich gegenseitig pushen. Durch den Erfolg von Shantel gibt es mehr Möglichkeiten und neue Impulse. Das ist natürlich für alle gut auch wenn jetzt jeder immer etwas bisschen unterschiedlicheres macht, haben wir alle Parallelen. Dela Dap macht etwas anderes als Shantel oder ich.
11. Kennt man sich untereinander? Die Szene ist noch relativ übersichtlich!
Am Anfang war das sehr schwer. Da musste man wirklich Ausschau halten nach Leuten die auch in diese Richtung produzieren. Das war so um 2003. Heute ist das viel besser geworden und man kommuniziert viel miteinander.
12. Das Genre hat sich irgendwann dann mal ausdefiniert und wurde nach der Berliner Clubnight von Robert Soko „Balkan Beats“ getauft…
Anfangs habe ich aus Respekt vor Roberts Werk es genauso nicht betitelt. Aber inzwischen finde ich es einen passenden Namen und die dazugehörige Compilation gibt ja auch einen schönen Überblick.
13. Bist du beeinflusst bzw. sozialisiert von der der Generation der prägenden Freistil-DJs wie Rainer Trüby, Mad Mats oder Jazzanova?
Ich war damals noch relativ jung als das Mitte der Neunziger hoch kam. Gerade habe ich mir jedoch die „Future Sounds of Jazz“ Vinyls (Compost Records) zugelegt und bin sehr begeistert wie sie ihrer Zeit voraus waren und Bossa und House verbunden hatten.
14. Hat sich das DJing durch den Balkanhype verändert?
Es hat sich sehr verändert. Die Leute kennen diese Musik nicht und feiern sie einfach und tanzen darauf. Man geht als DJ auch komplett von diesem „Beat auf Beat“ oder „Beat angleichen“. Die Übergänge und das Mixing ist nicht mehr im Vordergrund sondern das was man auswählt und zu welchem Zeitpunkt man es spielt. Ich finde das ganz erfrischend.
15. Was wird man zukünftig von dir hören, was planst du?
Ich gehe ab Oktober mit meiner Familie für 6 Monate nach Südspanien und klinke mich aus um an neuen Ideen zu feilen. Wie diese aussehen werden, kann man jetzt noch nicht sagen, außer dass es keine Balkan-Einflüße haben wird.
Text & Interview: Peter Parker
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