ÄL JAWALA: 

Black Forest VOODOO

 

Traditionelle Balkan-Melodien und tanzbare Beats mit dicken Bässen – damit rollten die Freiburger Musikanten von ÄL JAWALA um die Jahrtausendwende los um ihre musikalischen Visionen und globalen Gedanken unter einen Hut und unter die Menschen zu bringen.

Von Anfang zeigen sie ihr Energie und Leidenschaft auf unzähligen Live-Auftritte. Legendär sind ihre “umsonst und draußen”-Konzerte auf öffentlichen Plätzen. Dabei hätten die furiosen 5 aus der Studentenstadt im Schwarzwald das garnicht mehr nötig. Sie spielen weltweit Festivals und begeistern die Massen. Aber ist der Balkan Beat-Hype nicht vorbei? Was ist die universelle Sprache der 5 und was ist der “State of the art” wenn sie Anfang des Jahres ihr neues Album präsentieren? Gibt es in Zeiten des Rechtsrucks in Europa überhaupt noch Platz für Freigeister und Kreativarbeiter wie ÄL JAWALA? Oder muss gar ihre Musik ein Statement Pro Refugees sein? Wir haben mit dem Mastermind, Drummer und Produzenten Markus Schumacher gesprochen. 

1. Euer neues Album ist fertig. Es wird im Januar 2016 in die Plattenläden kommen. Was kannst du den Fans darüber schon verraten? Es gab ja schon drei EPs im Voraus! Es gab auch Einflüsse von Electro Swing…

Das neue Album heißt HYPNOPHONIC. Es war uns dieses Mal besonders wichtig, dass die Musik in die Tiefe geht – also nicht nur die Tanzlust weckt, sondern eine gewisse „Trance-Qualität“ besitzt – so kam es zu dem Namen.
Ja, unsere liebsten Songs der E.P.´s haben wir auch auf mit auf das Album genommen, der Hauptteil besteht aber aus neuen Songs.
Die größte Überraschung ist wohl unsere Saxophonistin Steffi mit ihrem Debut als Sängerin. Das war gar nicht so geplant, aber es hat sich während der Proben zum neuen Album einfach so entwickelt.
Das ist wohl auch dem Umstand zu verdanken, daß wir sehr entspannt arbeiten konnten. Was vor allem daran liegt, dass wir uns dieses Mal selbst, im eigenen Proberaum aufgenommen haben und bereits 2011 – direkt nach unserem letzten Album „The Ride“ – angefangen haben, mit neuen Ideen und Songs zu jammen.
In dieser Zeit kam uns auch die Idee mit den E.P.s. Das hatte mehrere Gründe: Wir wollten unsere neue „Do-it-yourself“ Arbeitsweise erstmal im kleinen Rahmen ausprobieren bevor wir uns an ein komplettes Album wagen.Unsere ersten Ideen bei den Proben haben uns dann auch in so viele, neue Richtungen geführt (von Swing bis Punk), daß wir es auch geradezu befreiend fanden, erstmal in kleinen Formaten veröffentlichen zu können.Die Electroswing-Einflüsse waren ein Teil davon und sind in den Song „Voodoo Rag“ eingeflossen. Dabei war es uns besonders wichtig eine organische Fusion aus orientalischem Gypsy-Brass und den Bigband / Swing Elementen zu erschaffen. Denn wir lieben zwar neue Einfüsse, wollten aber den typischen Äl Jawala Flavour auf jeden Fall erhalten! 

2. Ihr habt mit dem Bremer Soulbruder Flo Mega zusammengearbeitet! Wie kam es zu dieser Kollaboration?

Flo Mega kennen wir seit 2004, wo wir in der Lila Eule in Bremen zusammen mit ihm und den Pentatones gespielt haben – was auch einige gemeinsame Jams beinhaltet hat. Wir haben ihn seid damals dann immer wieder bei Konzerten als Gastsänger mit auf die Bühne geholt.
2010 gab´s dann in Köln eine Session, in der die beiden Songs Backstabbers und M.U.S.I.C. entstanden sind. Intergalactic Medusa (auf HYPNOPHONIC) war ein bereits fertiges Äl Jawala Stück, das wir auch schon recht lange live spielen und komplett als Instrumental aufgenommen hatten, als Flo Mega auf unsere Einladung hin, dem Song einen völlig neuen, überraschend entspannten Drive verpasst hat. 

3. Der Balkan Beats-Hype ist eigentlich schon etwas vorbei. Trotzdem erfreut ihr euch internationaler Bookings und Beliebtheit. Wie bleibt man dauerhaft im Gespräch? 

Vielleicht feiert unser Publikum eher die Energie, die wir von der Bühne aussenden, als einen bestimmten Stil. Dazu kommt, dass wir ja noch nie eine klassische „Balkan Band“ gewesen sind. Wir haben das Ganze sehr offen ausgelegt und so manches „Sliwowitz-Klischee“ ausgelassen – was uns zur Hochphase des Balkan Hypes natürlich nicht immer nur Vorteile gebracht hat…
Dafür hatten wir schon immer nicht nur die typischen Fans des Genres vor der Bühne sondern die ganze Vielfalt an Menschen – von Punk bis Anzugträger, von Hippie bis Elektro, von Kleinkind bis Greis. Und diese Fans bleiben – auch nach dem Hype.

4. Der klassische Balkan Beat-Sound, also traditionelle Klänge gemixt mit Dancefloorbeats, wird gerade noch universeller und ist jetzt in der Großfamilie „Global Beat oder Global Bass“ einzuordnen. Nach „The Ride“ habt ihr euch auf diesen Vibe voll eingelassen und eure Songs remixen (CMC & SIlenta, Umberto Echo, Pelletronica & Sumakari) lassen. War die Intention einfach auch im dadurch international mehr Aufmerksamkeit und Clubrotation zu bekommen? 

Wir sind ja in den 90ern mit Elektrosound aufgewachsen (damals: Techno, Drum ´n´Bass, Trip Hop, Big Beat). Darum lieben wir natürlich diesen Club-Aspekt in unserer Musik. Für die Begriffe Global Beat und Global Bass sind wir sehr dankbar, da sie unserem Sound endlich ein Dach über dem Kopf bieten, das groß genug ist, um alle Facetten mit einzubeziehen, die wir vereinen.
Was die Remixe angeht, gab es 2010 schon ein kleineres Projekt: die Asphalt Pirate Radio E.P. Und 2011 haben wir dann alle Songs des Albums The Ride online als Einzelspuren (Drums, Saxes, Stimmen, Percussion, etc.) zur Verfügung gestellt. Öffentlich, damit Alle Zugang dazu haben. Die Resonanz war überwältigend und wir haben tatsächlich Remix Zusendungen aus der ganzen Welt bekommen. Zu hören sind diese Remixe auf dem Album „Blast Your Ghetto“

5. Ihr promotet 2016 das Album auch wieder massiv live on stage. Was erwartet den Besucher eines Konzerts mit Äl Jawala? 

Wer uns kennt, der weiß, dass wir die Album Songs auf der Bühne nicht 1:1 nachspielen, sondern, dass sich da meistens noch Einiges entwickelt. Gerade haben wir die Live-Proben begonnen. Und man kann sagen: Was auf dem Album schon Spaß macht, das wird auf der Bühne zum Feuerwerk! Unser Produzent hat neulich bei einem Konzert in Berlin zum ersten Mal ein paar der Album Stücke live gehört und war hin und weg. Ich denke wir haben einfach jede Menge Spaß zusammen auf der Bühne – darum lieben wir es, live zu spielen. Und diese Energie überträgt sich natürlich auch auf unsere Zuhörer. Wir spielen zwischen Januar und Mai fast 40 Konzerte in ganz Deutschland und ein paar in der Schweiz. Da freuen wir uns schon jetzt drauf! Vor allem freuen wir uns auf die vielen neuen Möglichkeiten, indem wir unsere Stimmen noch stärker einsetzen werden.

6. Darf man sich auch auf eine Shantel-Kollaboration freuen für die Zukunft?

Sogar schon jetzt! Der Song „Promised Land“ auf dem aktuellen Shantel Album „Viva Diaspora“ ist eine Shantel / Äl Jawala Kooperation. Und am 12.12. spielen wir zusammen mit dem Bucovina Club Orchester auf dem Brass Boom Bäng Festival in Stuttgart.

7. Äl Jawala heisst der aus dem Arabischen, sinngemäß „die Reisenden”, „die Wanderer”, „Fahrendes Volk”! Euer Name und eure Ansatz Musik zu machen ist in sich schon ein Statement in Zeiten von Flüchtlingsströmen, Pegida und Afd-Hetze. Seht ihr euch hier in der Verantwortung ein Zeichen zu setzen gegen Fremdenhass und für ein mulikulturelles Miteinander? 

Unser „Zeichen“ war zur Zeit der Bandgründung im Jahr 2000 kein bewusst gesetztes sondern unsere gelebte Normalität. Das Feiern der Vielfalt! Natürlich haben wir schon damals bemerkt, wie viele unterschiedliche Nationalitäten und Altersschichten wir mit diesem Sound gemeinsam auf einer Tanzfläche vereinten. Und das war uns „Wirkung“ genug. Heute hat sich die Situation aber deutlich zugespitzt. Es besteht aktuell eine ernste Schieflage was die Wahrnehmung der verschiedenen Kulturen angeht. Verschwindend kleine Minderheiten sähen Wut, Angst und Schrecken und schaffen es, mit ihren medienwirksamen Aktionen, die stille, weil alltägliche Botschaft einer überwältigenden Mehrheit einfach zu übertönen: Nähmlich, die Tatsache, dass der Großteil der Menschen es schon lange schafft, friedlich zusammen zu leben, sich zu respektieren und sich zu inspirieren, statt einander zu fürchten. Betrachtet man den Lauf der Geschichte, so erkennt man, daß die meisten Formen von kultureller Entwicklung durch gegenseitige Inspiration und die Verbindung von Gegensätzen vorangetrieben werden. Bereicherung statt Angst vor „Verwässerung“ der Kultur. Unsere Musik sehen wir als Teil dieser Entwicklung.Aber es wurde uns tatsächlich im Laufe der letzten Jahre wichtiger, unsere Zeichen deutlicher zu setzen als früher. Auch ein Grund dafür, daß wir jetzt mehr und mehr Stimme und Texte einsetzen, um die Botschaft auf einer neuen Ebene transportieren zu können.Letztendlich können wir aber als Musiker vor allem dadurch ein Zeichen setzen, daß wir die Menschen dazu bringen sich zu begegnen. Wie neulich bei unserem Konzert in der BEA, Lörracherstrasse , wo Flüchtlinge und Deutsche zusammen getanzt und gelacht haben und manche vielleicht sogar an diesem Nachmittag Freunde geworden sind. Das ist besser als alle Songtexte, Statements und Kommentare im Internet…. geht raus und begegnet Euch! 

 

Text & Interview: Peter Parker