DEL THE FUNKY HOMOSAPIENS / TAME ONE (ARTIFACTS)

 

Wenn zwei verdiente Aktivisten aus dem Westen und aus dem Osten aufeinander treffen kann einiges passieren. Wenn zwei Rapfanatics mit außergewöhnlichen Skillz eine Kollaboration starten kann es eigentlich für HipHop nur gut sein. Wenn es sich dabei auch noch um den Kalifornier Del the Funkee Homosapiens aus dem Schoß der Hieroglyphics und Tame One von den fast vergessenen 90s-Hardliners Artifacts handelt sperrt man fast automatisch seine Lauscher auf. Anfang Oktober 2009 werden die beiden ihr gemeinsames Album veröffentlichen. Im Interview stellte sich heraus, dass Del seinen Humor nie verloren hat, und der New Jersey-Held der alten Tage ein Mann der großen Worte nur auf der Bühne oder im Studio ist. 

 Die Hieroglyphics und Artifacts stehen für HipHop von zwei Küsten aber für eine sehr prägnante und sehr beliebte Zeit im HipHop. Kennt ihr Euch aus der Phase Mitte der 90er Jahre?

Del: Ich denke ich habe Tame bei einer Show an der Ostküste getroffen. Wir haben zu der Zeit für eine Weile in New York gewohnt um unsere Produktionen mischen zu lassen. Das war genau die Zeit als Cas „Fear itself“ und ich mein zweites Soloalbum „No need for alarm“ aufgenommen hatten, aber auch genau die Zeit als wir mit „’93 til’ Infinity“ einen Hit landeten. Tame und ich haben das Gen des Partyanimals und ich denke dass kommt erschwerend hinzu, dass wir uns so gut verstehen (lacht). Wir beiden haben diese coole und jugendhafte Energie dauernd Spass machen zu können. Das erste Mal habe ich ihn natürlich auf dem Cover der Source gesehen, als der mit Redman abgelichtet wurde. Ich habe seit dem immer verfolgt was er so macht und bin auch seid dem ersten Treffen in Kontakt mit ihm geblieben.

Tame: Nein, ich denke das war eher im Jahr 1992 als wir beide bei der Bobbito Radio Show auf WKCR 89.9 in New York eingeladen waren. Danach waren wir mit Artifacts auf Promotour durch die Bay Area und trafen uns gleich wieder. Es war eine aufregende Zeit in der sehr viel connected wurde.

 Del, mit „Mistadobalina“ bist du 1991 schlagartig bekannt geworden. Obwohl du durch Ice Cube, deinem Cousin, ins Game gebracht wurdest, wurdest du nicht automatisch in die Gangsta-Rap-Ecke gestellt. War es schwer einen Style zu präsentieren der völlig autark von den damaligen Verhältnissen an der Westküste war?

Del: Ich weiss was du meinst. Aber „Gangsta Rap“ ist doch nur ein medialer Ausdruck. Das war alles HipHop. N.W.A entstand an einem Ort (South Central) an dem es heftige Gangaktivitäten gab und wahnsinnige Polizeigewalt. Die Plattenfirmen haben das bewusst aus finanziellen Gründen und medialer Sensationslust gehypt. Ich bin aus Oakland (Kalifornien) und auch hier herrscht ein rauer Wind über den ich auch in meinen Raps erzähle. Das ist letztlich jedoch unsere Aufgabe über städtische Szenarien zu sprechen. Es ist einfach eine Art von Berichterstattung. Die Einen glorifizieren es einfach mehr. Ich bin habe da meine Weise damit umzugehen und mein Rap beinhaltet einen schwarzen Humor, den es so bei anderen nie gab und auch nicht gibt.

Tame: N.W.A war zu allererst eine Art Westküsten-Version von Public Enemy. Ice Cube hatte auf seinem ersten Soloalbum ja die offizielle Brücke und Verbundenheit als er dort mit PE zusammenarbeitete. Man echauffierte sich da ja ungemein dass er mit der Nation of Islam und deren radikaleren Ansichten kokettierte. Del machte zeitgleich etwas sehr Frisches, was sich auf der einen Seite ähnelte und auf der anderen Seite komplett unterschied.

 Tame, der von Buckwild produzierte Song „C’mon wit da git down” aus dem Jahre 1994 gilt heute als wahre Klassiker des Eastcoastsounds. Vermisst du diese Zeit?

Tame: Ich erinnere mich sehr gerne an die Zeit zurück. Vor allem an diesen Jersey-Hype. Da gab es so viel satten Sound. Redman, Naughty by Nature, Latifah und die Flavour Uni, EPMD, Lords of the Underground und Marley Marl. Die Vernetzung und der Austausch untereinander war groß und es war deshalb so genial, weil e seine wirkliche Underground-Community gab. Jeder machte etwas Eigenständiges und konnte damit etwas erreichen. Ich blicke gerne zurück, aber das war nun mal früher.

Del: Das unglaublich die Zeit aber die Zeit wird nie wieder kommen. Wenn ich zu lange zurückblicke werde ich depressiv und frustriert, weil so viele falsch gelaufen ist. Wir leben im Kapitalismus und auf der einen Seite muss nun mal immer ein Verlierer stehen. Die 90er waren voller Kreativität und Aktion, jedoch würde ich gerne auf einige Fehler meinerseits gerne verzichten und einiges, nicht musikalisch, anders machen.

Würdet ihr sagen, dass HipHop sich zwar weiterentwickelt hat aber es heute an Klassikern fehlt?

Tame: Naja, für mich sind viele Alben Klassiker die andere nicht so bezeichnen würden. Ich weiss natürlich was du meinst. Es gibt aktuell auf alle Fälle zu viel Bubblegum-Pop-Bullshit und keine großen Rap-Werke.

Del: Ich denke dass ein Klassiker nicht veröffentlicht wird sondern in einer gewissen Zeitspanne dazu werden kann.

Du denkst also, dass man es nicht am finanziellen Erfolg messen sollte, wie es gerne aktuell von einigen Seiten gepredigt wird?

Del: Einige Freaks denken doch wirklich dass sie die Krone auf ihren Kopf setzen und einen auf König machen obwohl sie im HipHop noch nichts geleistet haben. „Illmatic“ ist ein Klassiker weil er die Qualität hat auch noch nach mehr maligen Hören großartig zu sein, nicht weil er Millionen von Einheiten in der ersten Woche absetzt. Dazu sind viele HipHop-Lover so eingeschränkt und warten auf ein weiteres „Illmatic“. Dann sollte man auch bedenken, dass eine LP die du in 90er gefühlt hast, du heute noch fühlen kannst, aber sie auf keinen Fall kopiert werden sollte. Einige Cats schauen ja auch nur noch zurück und sehen die Realität nicht mehr. Das finde ich am Schlimmsten.

Was ist mit der Zeit in der gefühlt jede zweite Scheibe ein Klassiker war? Du weißt was ich meine…

Del: Ja, natürlich weiß ich das. Da gab es einen Movement nach dem Anderen und vor allem wurden die neuen Ideen gefeiert. Jederzeit entstand irgendwo etwas wirklich Gutes, das kreativ war und dafür gefeiert wurde. Es sollte das Ziel sein keine Klassiker zu bauen, sondern satten HipHop zu machen.

Auf eurem Song „Flashback“ erinnert ihr an vergangene, glorreiche Tage des HipHop und seine Helden von LL bis Grandmaster Flash. Erinnert aber auch an einen Aktivismus den es heute immer weniger gibt. Ihr sprecht auch von einer Ego-Korruption in der HipHop-Kunstform. Was meint ihr genau?

Del: Es geht darum zu zeigen, dass wir einfach nichts künstlich im HipHop darstellen können, sondern genau das einfach unser Leben ist. Ich denke der Song war einfach ein Statement, dass man uns unser Ding lassen soll und wem es nicht passt der soll uns in Ruhe lassen. Das ist auch ein Grund warum ich mein eigenes Label haben will.

Die Bassline in „Before this“ erinnert an HipHop vor über 10 Jahren. Glaubt ihr soundtechnisch dass damit die jüngere Generation etwas anfangen kann? Eure Sounds sind funky und nicht elektronisch!

Del: Kommt darauf an aus welchem Blickwinkel man es betrachtet. Ob Computer oder Drum-Machine, ob Synthies oder Sampler. Ob die alten Sound oder die Neuen. Wir leben im digitalen Zeitalter und ich finde das alles so spannend. Deshalb ist der Sound auf dem Album auch nicht nur „funky“ sonder sehr universal. Beim Sound halte ich es wie beim Rap. Wer sagt „Fuck the south, fuck the east, fuck the west“ hat es einfach nicht verstanden, dass HipHop viele Facetten braucht um weiter zu kommen. Es muss die Premos und Tribes genauso wie Lil’s geben.

 Ist es nicht ein grundsätzliches Missverständnis der HipHop-Welt und alter Heads, dass sich die „Tradition“ und „Progression“ widersprechen?

Tame: Du bringst es auf den Punkt. Dazu kommt dass doch jeder ein Experte für HipHop ist und meint darüber urteilen zu dürfen. Das ist etwas was mich schon immer gestört hat.

Del: Traditionell bedeutet meiner Meinung nach dem einfachen Status Quo zu folgen, weil es sich bewährt hat. Progression schreitet in die Zukunft und versucht eben Dinge die sich nicht mit dem bisherigen Status Quo vereinbaren lassen.
Ich persönlich denke man sollte die Tradition bewahren und dadurch auch zeigen was man wirklich kann. Es darf nur nicht bieder oder verstaubt sein. Wenn das Ergebnis jedoch altmodisch ist, sollte man es unbedingt modifizieren für die Zeit in der man jetzt lebt. Die Ignoranz solch eines Prozesses hat oft überhaupt nichts mit Innovation am Hut. Es geht um das Grundverständnis von HipHop daran muss man sich ständig erinnern. Stagnation bracht kein Mensch.

Dazu passt gut, dass man über Kanye West sagt er wäre „ein Fluch und ein Segen“ zugleich für HipHop.

Del: Word. Ich finde, dass einfach zu viele Leute dazu neigen erstmal den Finger auf jemanden zu zeigen. Da denke ich auch oft, dass es primär der Kanye ist, der für HipHop sehr viel getan hat. Denke doch nur mal an seine Arbeiten für Jigga oder Common. Hat das etwa jemand geschadet? Tradition und Innovation. Das ist Kanye. Ich mag an ihm das was viele an ihm hassen. Er stellt hier keinen Superstar zur Schau, er macht das was er seit Tag 1 macht. Ausserdem ist er ein wirklicher Künstler. Er limitiert sich selbst nun mal nicht und ist extravagant. Das ist auch alles richtig HipHop. Abgesehen davon weiss ich dass er Soul of Mischief und die Hieroglyphics als einen seiner musikalischen Einflüsse genannt hat. Dafür feiere ich ihn trotz Autotune-Overdose ewig. He is a real black man who made it against the odds!

1beat.de: Welche Rapkünstler der neuen Generation findet ihr heiß?

Tame: Sean Price! Auch wenn er längst kein "neuer" Künstler mehr ist. 

 Naja, der ist ja nicht mehr unbedingt ein Newcomer?

Tame: Ich finde ihn aber genial weil er noch nie einen schwachen Song herausgebracht hat und wie die ganze Boot Camp Clikk es unten hält.

Del: Also ich bin auch noch sehr jung. Ja, Del ist großartig. So funky. (lacht). Kid Cudi feiere ich jeden Tag und ich bin immer noch eine großer Cam’ron-Fan, auch wenn man den ja nicht mehr als neu bezeichnen kann. Da gibt es aber wirklich doper Nachwuchs. Wie heissen die noch? The Yogi Yahooies, The Really Rottens, The Hair Bear Bunch und natürlich Josie and the pussycats! (lacht).

Sind das nur Künstler die nur du kennst?

Del: Das mit Josie war todernst. Ich liebe vor allem die aktuellen Sache von Doom, Kurupt, Ladybug Mecca und The Liks killen es immer noch. Suga Free „Can’t pimp me“ ist mein Tune zur Zeit. It’s pure Cali Stuff!

Wird es auf eurem Album Gäste geben und wer hat die Beats produziert?

Tame: Um die Gesamtheit zu wahren, haben wir keine besonderen Produzenten auf dem Album. Drum, Knowledge und Caness sind als Produzententeam Parallel Thought bekannt.

Del: Die Jungs sind der Hammer! Sie haben diesen sonic soul gebastelt und einen exzellenten Job gemacht. Gäste brauchten wir eigentlich nicht weil Tame und ich dafür keinen Platz haben. Einige Cats denken ja immer noch dass 16 Bars ein Triumph sei. Wir limitieren uns im Rap nicht, schon gar nicht auf unserem eigenen Album. Hier geht es um Rap.

 

Interview: Peter Parker